Gedanken zur “Koordinatenverschiebung“ in Sachsen | Folge 3

Viel Bewegung im Freistaat: Wie sich die Tischtennislandschaft in Sachsen in den vergangenen fünf Jahren verändert hat.

Wir blicken zurück in das Jahr 2020. Die Corona-Pandemie sorgt für einen abrupten Stillstand – die Saison wird bereits im März vorzeitig beendet. Der Trainingsbetrieb ruht, die Hallen bleiben leer. Für alle Tischtennisspieler in Deutschland, auch in Sachsen, bedeutet das einen tiefen Einschnitt. Zu Beginn der aktuellen Dekade sah die Tischtennislandschaft im Freistaat noch ganz anders aus: Elbe spielte zu dem Zeitpunkt noch in der Sachsenliga, Dresden Mitte, bis auf ein einjähriges Intermezzo in der Regionalliga, in der Oberliga. Beide Clubs waren die zwei führenden Vereine in Dresden. Der TSV Graupa schlug noch in der 1. Bezirksliga auf, während Sachsenwerk als eigentlich eher unbeschriebenes Blatt in der Saison 19/20 noch in der 2. Bezirksliga gemeldet war. Und auch überregional spielte Hohenstein 2 in der Oberliga, während das Flagschiff der Westsachsen sich in der 3. Bundesliga etablieren wollte.

Wenn man damals mit heute vergleicht dann kann wohl von einer “Koordinatenverschiebung“ gesprochen werden. Alte jahrelange Konstellationen haben sich verändert. Achsen haben sich bewegt. Im Blick auf die sächsische Landeshauptstadt zeigt sich ein bemerkenswert ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen den Vereinen.

Dresden Mitte wird in der kommenden Saison erstmals nach einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr überregional aufschlagen. Während der Club jahrelang die sächsischen Farben mit Tischtennisgrößen wie Mühlbach, Oehme und Spalek würdig im Osten der Republik bis nach Bayern vertrat, heißt die Realität nächste Saison Sachsenliga. Einige Spieler haben den Verein verlassen. Man darf gespannt sein, wie Mitte sich in den nächsten Jahren neu aufstellen wird.

In die Sachsenliga zurückkehren würde mit Sicherheit gerne der TTC Elbe. Der mitgliederstärkste Verein Dresdens musste in den vergangenen Jahren den Verlust zentraler Leistungsträger seiner ersten Mannschaft verkraften. In der aktuellen Saison reichte es in der Landesliga nur zu einer ausgeglichenen 18:18-Bilanz – obwohl das vorhandene Potenzial, etwa in den Spielen gegen Graupa, klar aufblitzte. Elbe ist aktuell vor allem in der Breite stark, was auch durch den Aufstieg der zweiten Mannschaft deutlich geworden ist. Trotzdem spielt Elbe wie Dresden-Mitte derzeit nicht auf dem sportlichen Niveau früherer Jahre. Und doch haben beide Vereine ihre Stärke in der Nachwuchsarbeit. Gelingt es, ein oder zwei Talente erneut dauerhaft in die erste Mannschaft zu integrieren, ist der Weg zurück in höhere Ligen keineswegs ausgeschlossen.

Genau das hat nämlich der TSV Graupa geschafft. Jahr für Jahr hat man sich vor allem mit Pfohlen aus dem eigenen Stall Stück für Stück verbessert. Vor zwei Jahren gelang der Aufstieg in die Landesliga – nun, mit Rückkehrer Florian Kaulfuß, der Sprung in die Sachsenliga. Und nicht nur die Herren sorgen für Schlagzeilen: Die Damenmannschaft wird in der kommenden Saison sogar in der Regionalliga aufschlagen. „Wir haben mit guter Jugendarbeit Talente gefördert und uns in den letzten Jahren nicht nur mit der 1. Herrenmannschaft sehr weit nach oben gekämpft. Dadurch sind wir zum Anlaufpunkt für neue starke Spieler geworden“, erklärt Eigengewächs Florian Kaulfuß. Mit dem Kempe-Ehepaar hat sich der TSV zudem prominent verstärkt, sodass das Team zuversichtlich in die neue Spielzeit blickt. Flo Kaulfuß: „Die Sachsenliga ist nochmal ein großer Sprung. Unser vordergründiges Ziel ist der Klassenerhalt, langfristig wollen wir eine feste Größe in der Sachsenliga werden.“ Dafür muss das Team vorerst auf Konstantin Thomas verzichten. Sollte das Toptalent in den nächsten Jahren wieder für Graupa aufschlagen, dann kann die Mannschaft auch in der Sachsenliga ganz vorne mitspielen.

Der TSV Graupa wird auch in der Sachsenliga konkurrenzfähig sein | Foto: TSV Graupa

Ebenfalls bemerkenswert ist die Entwicklung beim SV Sachsenwerk. In der vergangenen Saison gelang dem Verein etwas überraschend die erstmalige Qualifikation für die Landesliga. Mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung, einem überragenden Neuzugang Darius Schreiber und einem glücklichen Ende in der Relegation kann sich das Team nun auf eine weitere Saison in Sachsens zweithöchster Liga freuen. „Durch die guten Leistungen als Mannschaft haben wir uns in Dresden einen Namen gemacht. Alle haben den Ehrgeiz für den Verein das beste rauszuholen“, meint Sachsenwerks Spitzenspieler Max Kain. Außerdem ist die hohe Trainingsbeteiligung ein weiterer Grund, der Sachsenwerk für Neuzugänge interessant macht. Mit Stephan Richter und Andrea Püschel von Mitte ist auch im kommenden Jahr der Klassenerhalt möglich. Und doch steht der Erfolg nicht im Vordergrund. „Der Spaß ist am Wichtigsten. Jeder spielt mit jedem im Training egal wie groß der Leistungsunterschied ist. Gerade der Zusammenhalt macht uns erst zu einem unangenehmen Gegner“, so Maximilian Kain. Besonders beeindruckend wird in der neuen Spielzeit auch die Aufstellung von Sachsenwerks zweiter Mannschaft sein. Mit dem aktuellen Kader ist der Aufstieg in die 1. Bezirksliga durchaus möglich, was ein weiterer Beleg dafür wäre, dass bei den Ostdresdnern derzeit vieles in die richtige Richtung läuft.

Das Landesliga-Team steht sinnbildlich für die Entwicklung beim SV Sachsenwerk | Foto: Karsten Amm

Auch TTV Dresden, im Herzen der Neustadt, hat sich mit einem lebendigen Vereinsleben und einem Image als alternativer Studentenclub zu einem Tischtennis-Standort in Dresden entwickelt. Mit einer deutlich veränderten Mannschaft im Vergleich zu früheren Tagen hat TTV den Aufstieg zur Sachsenliga in der vergangenen Saison nur knapp in der Relegation verfehlt. Interessant ist aber, dass der Verein das nicht so negativ sieht. „Wir sind damit an sich ganz zufrieden, da unsere beiden Jugendspieler im vorderen Paarkreuz noch ein Jahr mehr Zeit brauchen, um das Niveau des vorderen Paarkreuzes in der Sachsenliga zu erreichen“, erklärt TTV-Urgestein Robert Uhlemann. Bei einem möglichen Abstieg wäre es schwer gewesen die beiden Youngsters über die Saison hinaus zu halten. So geht die Mannschaft ambitioniert in eine weitere Spielzeit in der Landesliga – mit dem klaren Anspruch erneut oben anzugreifen. Externe Spieler mit kommerziellen Mitteln dazuzuholen schließt TTV Dresden derzeit aus: „Es besteht Einigkeit in unserem Verein, dass wir für die Erreichung sportlicher Ziele keine Spieler bezahlen wollen“, so Robert Uhlemann.

Der TTV Dresden will mit seinen beiden Nachwuchstalenten im nächsten Jahr aufsteigen | Foto: Tim Roßmann

Ein Selbstläufer wird der Aufstieg jedoch auch in der kommenden Saison nicht. Mit einem starken oberen Paarkreuz wird besonders Absteiger Motor Mickten ein ernstzunehmender Konkurrent sein.

Während Dresden in der kommenden Saison kein einziges Team im überregionalen Spielbetrieb stellt, ist Westsachsen deutlich breiter aufgestellt: Gleich fünf Mannschaften werden in der Oberliga vertreten sein. Mit Clara Zetkin Leipzig, Holzhausen, Lugau, Gornsdorf – und nicht zuletzt Hohenstein III (!) – ist die Region im Westen Sachsens aktuell vom Niveau stärker.

Die beiden Spitzenteams des TTC Sachsenring Hohenstein-Ernstthal werden auch in der kommenden Spielzeit in der 2. und 3. Bundesliga für Furore sorgen. Lange war das aber nicht gewiss. Bis zuletzt war die erste Mannschaft im Abstiegskampf. Auch die zweite Mannschaft hätte dann eine Liga tiefer spielen müssen. Mit einer spektakulären Aufholjagd in der Rückrunde konnte schließlich am letzten Spieltag doch noch der Klassenerhalt gefeiert werden.

Der TTC SR Hohenstein-Ernstthal ist zum Aushängeschild des STTV geworden | Foto: TTC Sachsenring

Ein Schlüssel dafür war das sensationelle Comeback von Carlos Mühlbach, der in der Vorrunde wegen einer tückischen Morbus-Crohn Krankheit aussetzen musste. Zeitweise war sogar unklar, ob Carlos überhaupt wieder Tischtennis spielen können würde. Umso beeindruckender ist die Tatsache, dass er in der Rückrunde im oberen Paarkreuz der 2. Bundesliga eine ausgeglichene Bilanz erspielen und Topleute wie Matsuyama, Hippler und Xuandong allesamt besiegen konnte. Carlos Statement dazu: „Durch die Umstellung auf Antitop bin ich nochmal deutlich stärker geworden als mit zwei normalen Belägen. Das ich mit dem Spielsystem aber sogar im oberen Paarkreuz der 2. Bundesliga erfolgreich spielen würde, davon habe ich immer nur geträumt und bin natürlich überglücklich!“

Carlos Mühlbach vs. Tobias Hippler | Video: Living Tabletennis (YouTube)

Um in einer noch ausgeglicheneren 2. Bundesliga erneut bestehen zu können hat der Verein adäquaten Ersatz für Jakub Kosowski und Hsin Yang Li gefunden. Onufrii Hoian, der von Dresden Mitte nach Hohenstein gewechselt ist, wird zudem erstmals Drittligaluft schnuppern und mit Koschmieder und Co den nächsten Schritt gehen. Seine Heimspiele wird der Verein erst zu Beginn der Rückrunde wieder auf dem Pfaffenberg austragen. Die berüchtigte „Grüne Hölle“ wird nach der Renovierung und dem Ausbau der Zuschauerränge noch ein Stück mehr ihrem Namen gerecht werden. Coach Christian Hornbogen: „Wir haben uns in den letzten 20 Jahren Stück für Stück als Verein entwickelt. Das wir alles mit ehrenamtlicher Power und ohne externen Einflussnehmer geschafft haben, freut uns sehr. Der Abschluss des Bauprojekts ist daher unser nächster großer Meilenstein. Danach bleibt dann auch wieder Raum für neue Ideen. Die weitere Etablierung von Bundesliga-Tischtennis in unserer Region und die kontinuierliche Förderung der Jugend haben auch zukünftig sportliche Priorität.“

Bei den Damen, die in diesem Beitrag etwas zu kurz gekommen sind, ist Sachsen mit den Leutzscher Füchsen immerhin halbbundesweit vertreten.

Fazit: Durch personelle Wechsel sind die beiden großen Vereine Elbe und Mitte sportlich etwas schwächer geworden. Gleichzeitig konnten Clubs wie der TSV Graupa, TTV Dresden und SV Sachsenwerk sich in Dresden etablieren. Massive Unterschiede gibt es nicht. In Westsachsen ist das Niveau aktuell höher. Verschiedene Vereine treten überregional an. Das Aushängeschild des STTV ist der TTC Sachsenring Hohenstein-Ernstthal. Toptalente des Verbandes erhalten hier die Möglichkeit bis ganz nach oben zu gelangen.


In fünf Jahren werden wir hoffentlich nicht auf eine zweite Pandemie zurückblicken. Die Verschiebungen in der TT-Szene werden aber nicht weniger interessant sein. Ich verspreche euch schon mal, dass ich 2030, in fünf Jahren, wieder einen Bericht, der speziell die Entwicklungen der vergangenen Jahre in den Blick nimmt, verfassen werde.

Ihr seht etwas in diesem Beitrag ganz anders oder etwas hat euch besonders zum Nachdenken angeregt? Dann schreibt gerne eure Gedanken unter diesen Artikel 🙂

This article has 2 Comments

  1. Sehr cooler Bericht, aber die Damen kommen tatsächlich zu kurz. Immerhin spielt Dresden Mitte hier mit 4 Mannschaften von der Regionalliga bis zu Landesliga.

  2. Danke dir Ilka. Da hast du recht. Generell bin ich bei den Herren etwas mehr auf dem Laufenden. Sonst wäre die Info bestimmt mit reingekommen.

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